Georg Weissel

Georg Weissel wird am 28. März 1899 in der Wiener Brigittenau geboren. Seine Mutter kommt als Dienstmädchen aus dem Raum Salzburg nach Wien. Sein Vater wächst als Findelkind im Waisenhaus auf und arbeitet als Magazineur bei der Eisenbahn. Beide Eltern sind aktive Sozialisten.

Unter Entbehrungen ermöglichen die Eltern ihrem Sohn, die Brigittenauer Realschule zu besuchen. Nach der Kriegsmatura wird Georg Weissel mit noch keinen 18 Jahren eingezogen.

Nach Kriegsende und Heimkehr studiert er an der Technischen Hochschule Chemie. Während seines Studiums ist er ein engagiertes Mitglied der sozialistischen Studenten, die ihr Lokal damals in der D´Orsay-Gasse im Alsergrund hatten.

Nach Abschluss des Studiums kann er längere Zeit keine Arbeit finden. Mehr als ein halbes Jahr ist er als unbezahlter Volontär im Gaswerk Leopoldau beschäftigt. Trotz der finanziellen Unsicherheit, in der er sich befindet, heiratet er die Telefonbeamtin Marie Musika. Überlegungen, einen Posten bei der Straßenreinigung anzufangen oder nach Russland auszuwandern, können verworfen werden, als ihm durch einen Beschluss der Personalbetreuung der Gemeindebediensteten die Möglichkeit geboten wird, in den Offiziersstab der Feuerwehr einzutreten – was bis dahin nur Heeresoffizieren möglich war Im September 1926 wird Georg Weissel provisorischer Brandadjutant der Wiener Feuerwehr und hält bei der Feuerwache im 6. Bezirk in der Wallgasse 2a eine Dienstwohnung. Genau fünf Jahre später wird er Brandkommissär auf der Hauptfeuerwache Floridsdorf in der Kretzgasse, die heute den Namen Weisselgasse trägt. Zugleich ist er als studierter Chemiker Gasoffizier der Wiener Feuerwehr.

Als nach dem Schießbefehl auf die Menschenmenge beim Justizpalastbrand 1927, legitimiert durch den Polizeipräsidenten Johann Schober, der Republikanische Schutzbund auf militärischer Grundlage reorganisiert wird, beruft man Weissel zum Kommandanten der Akademischen Legion des Republikanischen Schutzbundes. Diese ist die studentisch organisierte Abteilung des Schutzbundes. Die dortige Tätigkeit hat Georg Weissel bis 1931 inne. 

Als der austrofaschistische Ständestaat mit der Ausschaltung der oppositionellen Parteien und Organisationen beginnt, am 30. Mai 1933 der Schutzbund verboten wird und sich gegen Ende des Jahres die Konfrontation zwischen Regierung und Sozialisten immer deutlicher abzeichnet, stellt sich Weissel dem Bezirksführer des Floridsdorfer Schutzbundes Heinz Roscher zur Verfügung. Dabei ist Weissels Aufgabe vor allem, die Feuerwehrmänner in Waffenkunde zu unterrichten.

Nach Ausbruch der Kämpfe am 12. Februar in Linz wird beschlossen, am kommenden Tag zu reagieren. Während Joseph T. Simon davon spricht, das vereinbarte Ziel habe darin gelegen, das der Hauptfeuerwache XXI gegenüberliegende Polizeikommissariat unter Beschuss zu nehmen und zu stürmen[1], sprechen andere Quellen lediglich von einer Verteidigung der Feuerwache[2]. Nach dem sich nicht alle Feuerwehrmänner zum Waffeneinsatz bereit erklären, beschließt der kampfbereite Teil der Feuerwehrmänner, das Polizeikommissariat vom ersten Stock aus zu beschießen. Die Polizei antwortet daraufhin mit Maschinengewehrfeuer. Es ist nicht geklärt, wer einen Kriminalbeamten und drei Polizisten Zugang in das Gebäude ermöglichte. Auf alle Fälle werden die Aufständischen entwaffnet, misshandelt und am nächsten Morgen in das Polizeigefangenenhaus an der Rossauer Lände gebracht. Für das Standgericht wird Weissel mit den anderen neun angeklagten Feuerwehrleuten ins Landesgerichts Wien II am Hernalser Gürtel gebracht und wegen Aufruhr angeklagt. Da Weissel aber die volle Verantwortung der Handlungen auf sich nimmt und angibt, den anderen Feuerwehrleute beteuert zu haben, er handle im Auftrag des Bürgermeisters und ihnen gesagt habe: „Der erste, der sein Gewehr weglegt, der kriegt einen Schuss – und ich treffe gut.“[3], überstellt der Staatsanwalt die anderen neun einem ordentlichen Verfahren.    

Georg Weissel wird zum Tode durch den Strang verurteilt. Die Vollstreckung hat binnen zwei Stunden zu geschehen, wobei eine dritte Stunde Aufschub gewährt werden kann. Weissel wird in das Landesgericht I überstellt. Das Standgericht beinhaltet kein Einspruchsrecht. Einem Gnadengesuch, in dem Weissel um Begnadigung „zu einer anderen Strafart“ oder „um Umwandlung der Strafe des Todes durch den Strang in die Strafe des Todes durch Erschießen“[4] bittet, wird nicht stattgegeben. 44 Minuten nach Mitternacht stellt der Amtsarzt den Tod von Georg Weissel fest. Er wird am Wiener Zentralfriedhof, Gruppe 87/42/12, bestattet.[5]

Nachdem der damalige Polizeipräsident Skubl interveniert, wird gegen die Grabinschrift die „Ein Stein unter Steinen im Aufbau der Menschheit“ lautete, vom „Besonderen Stadtamt III“ nach § 22 der Begräbnis- und Gräberordnung für die Friedhöfe der Stadt Wien vorgegangen, da sie als politische Agitation zu werten sei.[6]  

Gleich nach dem Tod von Weissel gründet sich der „Bund Georg Weissel“. Seine Aufgabe ist unter anderem, verfolgte und von Verhaftung bedrohte Schutzbündler und Parteifunktionäre in Sicherheit zu bringen. Es wird ein Grenzdienst organisiert, durch den mehr als hundert von der Polizei gesuchte Freiheitskämpfer in die Tschechoslowakei gebracht werden können. Auf demselben Weg wird die bereits verbotene Arbeiter-Zeitung aus Brünn nach Wien geschmuggelt.[7]

Ebenso wird ein Weissel-Fond gegründet, aus dem Angehörige der hingerichteten und verhafteten Feuerwehrleute im Austrofaschismus, sowie im Nationalsozialismus, unterstützt werden. Diese Organisation wird später von der Gestapo ausgehoben und achtzig Feuerwehrmänner ins KZ Mauthausen gebracht.

1973 widmet die Stadt Wien Georg Weissels Grabstätte zu einem Ehrengrab um.




[1]    Joseph T. Simon, Georg Weissel, in: Norbert Leser (Hg.), Werk und Widerhall, 1964, S.430

[2]    Katarina Rohsmann, Politische Verfolgung im Austrofaschismus: Polizeimaßnahmen - Tendenzjustiz – Anhaltehaft, Dipl. Univ. Linz 2011, S. 94

[3]    Joseph T. Simon, Georg Weissel, in: Norbert Leser (Hg.), Werk und Widerhall, 1964, S.434

[4]    Allgemeines Verwaltungsarchiv, Akten des BMJ., Viw, Zl. 31887/34

[5]    Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, Gedenken und Mahnen in Wien 1934-1945, Wien 1998, S.270

[6]    Korrespondenz von Maria Weissel mit den Behörden: DÖW 13.144; Arbeiter-Zeitung vom 8.4.1934, 12.2.1947, 27.10.1948 und 4.11.1948; Der sozialistische Kämpfer Nr.1/3, 1959; Der sozialistische Kämpfer Nr.1/2, 1978

[7]    Joseph T. Simon, Georg Weissel, in: Norbert Leser (Hg.), Werk und Widerhall, 1964, S.439