Februar 1934

Am 4. März 1933 tritt der Nationalrat zu einer Sitzung über die Sanktionen der Regierung Dollfuß gegen die Verantwortlichen des Eisenbahnerstreiks im Zusammenhang mit einer Waffenschmuggelaffäre vom Jänner desselben Jahres zusammen. Formfehler bei der Abstimmung und Probleme beim Umgang mit der Geschäftsordnung führen dazu, dass nacheinander die Präsidenten der Sozialdemokratischen, der Christlichsozialen und der Großdeutschen Partei zurücktreten. Die Geschäftsordnung sieht für diesen Fall keine Prozedere vor und die Sitzung kann damit formal nicht geschlossen werden. Die Regierung Dollfuß nutzt diese Situation aus, um durch Anwendung des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes von 1917 mit Notverordnungen autoritär zu regieren.

Bundespräsident Miklas löst weder den Nationalrat auf, noch nimmt er das Rücktrittsangebot Dollfuß´ an, sondern versichert am 14. März, dass er einem Einschreiten der Regierung gegen ein versuchtes neues Zusammenfinden des Nationalrates keine Widerstände entgegensetzen werde.[1] Ein generelles Versammlungs- und Aufmarschverbot wird erlassen. Die gerichtlichen Kompetenzen von Verwaltungs- und Polizeibehörden werden erweitert, die Pressefreiheit eingeschränkt, der Verfassungsgerichtshof aufgelöst. Die politische Opposition soll ausgeschaltet werden. Am 31. März 1933 wird der Republikanische Schutzbund verboten. Arbeiterkammer, wie auch Sozialversicherungen werden „reformiert“, um den Einfluss der Sozialisten zu brechen. Am 23. September wird die Verordnung zur „Verhaltung sicherheitsgefährdender Personen in einem bestimmten Orte oder Gebiet“ erlassen[2] und Anhaltelager, etwa in Wöllersdorf (Niederösterreich), in Kaisersteinbruch (Burgenland), Messendorf und Waltendorf (Steiermark) oder Finstermünz (Tirol) eingerichtet.[3] 

Im Jänner 1934 kommt es zu einer massiven Verhaftungswelle.[4] Am 12. Februar wird das Standrecht um das Verbrechen des Aufruhrs erweitert.[5]

Teile der Sozialdemokratie radikalisieren sich, weil sie nicht gewillt sind, die gänzliche Ausschaltung ihrer Organisation kampflos hinzunehmen. Durch eine Waffensuche in der Parteizentrale „Hotel Schiff“ in Linz provoziert, entfaltet sich der erste größere, kollektive, bewaffnete Aufstand gegen den Faschismus in Europa.



[1]    Hilde Lang, Bundespräsident Miklas und das autoritäre Regime 1933-1938, Wien 1972, S. 16 u. 28

[2]    BGBl. 431/1933

[3]    Pia Schönberger, „Ein Leben ohne Freiheit ist kein Leben“. Das „Anhaltelager“ Wöllersdorf 1933-1938, in: Ilse Reiter (Hg.), Österreich 1933-1938, Wien 2012, S. 94-109

[4]    Allein in Wien wurde bis Mitte März 1934 laut Polizeiverzeichnis eine Anzahl von 7823 Personen verhaftet. DÖW 5924/2

[5]    Siehe dazu:  Emmerich Tálos, Das austrofaschistische Herrschaftssystem – Österreich 1933-1938, Wien 2013,  S. 44-60